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Fortschritte und Visionen zur Anwendung von Evidenz in Bildungskontexten


 
   

  Am 5. und 6. März 2013 fand die von der Europäischen Kommission geförderte Abschlusskonferenz des Projekts 'Evidence Informed Policy and Practice in Education in Europe' (EIPPEE) in Frankfurt am Main statt. Diese zweite Konferenz des Projekts trug den Titel “'Progress and Future Visions', Ausrichter waren das EPPI Centre und das  Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).
Ziele

Die Konferenz verfolgte drei Ziele:

  1. Voranbringen der vier wesentlichen Strategien von EIPPEE: Die Konferenz bot den Mitgliedern des EIPPEE-Netzwerkes die Gelegenheit zu diskutieren, wie Evidenz zur Umsetzung bildungsbezogener Ziele eingesetzt wird respektive werden kann.
  2. Zu überlegen, wie der Einsatz von Evidenz im Bildungsbereich gefördert werden kann: Ein Großteil der  Diskussionen über den Einsatz von Evidenz beschäftigte sich mit praktischen Aspekten, mit Fragen des Zugangs und der Verwendung. Diese Anwendungen finden nicht in einem Vakuum statt, sondern existieren innerhalb impliziter oder expliziter Systeme, Strategien und Praktiken im Umfeld der Anwendung von Evidenz. Künftige Maßnahmen sollten diese Kontexte berücksichtigen. Die Analyse solcher Prozesse kann nicht nur ermöglichen, dass Bildungsziele besser umgesetzt werden, sondern auch dabei helfen, die hier zu Grunde liegenden Mechanismen besser zu verstehen.
  3. Entwicklung einer Strategie, die die Anwendung von Ergebnissen aus der Bildungsforschung ermöglicht: Bildung ist ein politisches Thema. Daher wird unser derzeitiger und künftiger Bedarf in Bezug auf die Anwendung von Evidenz von unserem Verständnis von Bildung abhängen. Solche Sichtweisen variieren zwischen Individuen und Gruppen, ebenso wie zwischen verschiedenen Entscheidungsebenen (etwa auf internationaler, regionaler, europäischer, nationaler und kommunaler Ebene). Es besteht Anlass zur Hoffnung, dass das EIPPEE-Netzwerk seine Arbeit auch nach Ablauf der Förderung durch die EU-Kommission fortsetzt. Eines der Hauptthemen der EIPPEE-Konferenz widmete sich der Frage, welche Rolle EIPPEE bei der Entwicklung von politischen Maßnahmen, Praktiken und der Erforschung der Anwendung von Evidenz einnehmen kann.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 28  Ländern, darunter 20 Staaten der Europäischen Union, kamen zusammen. Anwesend waren fünf internationale Organisationen (Europäische Kommission, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), European Training Foundation (ETF), Eurofound und European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions); elf nationale Bildungsministerien (Estland, Deutschland, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Serbien, Schweden und das Vereinigte Königreich); vier auf nationaler Ebene  tätige politische Organisationen; zwei kommunale Behörden; drei Geldgeberinstitutionen sowie weitere Einrichtungen (Gewerkschaften, Lehrkräfte, Forschende).

Einführung in die evidenz-informierte Politik und Praxis und die Methodik von Forschungssynthesen

Den Organisatoren war bewusst, dass die Teilnehmenden unterschiedliches Wissen und Erfahrungen  mitbringen würden. Für diejenigen, die sich mit dem Thema neu beschäftigten, wurde im Vorfeld ein “Training Workshop” angeboten. Darüber hinaus fand zu Beginn des ersten Tages der Konferenz optional eine Einführung in den Themenbereich statt. Hier wurde das Konzept der evidenz-informierten Politik und Praxis vorgestellt und die Teilnehmenden erfuhren, welche Bedeutung „systematic Reviews“ in diesem Kontext zukommt.

Die Anwendung von Evidenz in Deutschland

In ihren einführenden Vorträgen erläuterten Marcus Hasselhorn (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, DIPF) und Stephanie Schaerer (Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) die Anwendung von Evidenz in Deutschland. Am Beispiel eines Projekts in Baden-Württemberg, an dem mehr als 30 Kindergärten und Vorschuleinrichtungen und Entscheidungsträger aus der Politik beteiligt sind, erläuterte Marcus Hasselhorn die Zusammenarbeit dieser Akteure bei der Entwicklung, dem Einsatz, der Evaluation und Reform eines Modells vorschulischer Erziehung von Kindern, deren schulischer Erfolg gefährdet ist. Stephanie Schaerer skizzierte Maßnahmen, die das Bundesministerium zur Unterstützung der Bildungsforschung und zur Schaffung einer verlässlichen Evidenzbasis eingeleitet hat. Beispielhaft hierfür ist das Rahmenprogramm zur Förderung der Empirischen Bildungsforschung. Dessen Ziel ist einerseits die Schaffung einer zuverlässigen Wissensbasis für die Bildungspolitik und -praxis, andererseits der Aufbau einer Expertenstruktur.

Die Umsetzung von forschungsbasierter Evidenz in der Praxis: Die Nutzung eines evidenz-informierten Werkzeugkastens (“evidence informed toolkit“)

Eine Schlüsselfrage lautet, wie aus Forschung generierte Evidenz für ein bestimmtes politisches Thema angewendet werden kann. Im Rahmen der Konferenz fand daher eine Session statt, die sich einem „Werkzeugkasten“ widmete, der zur Verbesserung der Lesekompetenzstandards an Schulen eingesetzt werden kann. Der Werkzeugkasten basiert auf der Sichtung, Bewertung und Zusammenfassung vorhandener verlässlicher forschungsbasierter Evidenz wie „systematic reviews“ und Meta-Analysen.

Sprachkompetenz  – Die Politik der Europäischen Kommission

Ein wichtiges strategisches Ziel der Europäischen Kommission betrifft die Erhöhung von Sprachkompetenzniveaus. Tatsächlich wurde für das Jahr 2020 das Ziel formuliert, den Anteil an 15-Jährigen mit unzureichenden Kompetenzen im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften auf unter 15% zu bringen. Daphne De Wit von der Europäischen Union erklärte, dass niedrige Lesekompetenzniveaus in ganz Europa ein Problem darstellten. Sie erläuterte einen Lösungsansatz der Europäischen Kommission, die 'High Level Group on Literacy'.

Education Endowment Foundation Toolkit

Robbie Coleman arbeitet für die Education Endowment Foundation (EEF), eine Stiftung, die das “Sutton Trust/Education Endowment Foundation Teaching and Learning Toolkit” entwickelt hat. Dieses Instrument ist eine unabhängige, zugängliche Zusammenfassung von Ergebnissen der Bildungsforschung. Lehrkräfte und Schulen können das Instrument anwenden, um die erfolgversprechendsten und kosteneffektivsten Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Schülerinnen und Schüler zu ermitteln. Das Instrument unterstützt Lehrkräfte und Schulen darin, ihre Ressourcen so einzusetzen, dass der Bildungserfolg von benachteiligten Schülerinnen und Schülern optimal gefördert wird. Gegenwärtig umfasst das Instrument 30 Themen, die jeweils im Hinblick auf Bildungserfolg, die Aussagekraft der zugrunde liegenden  Evidenzbasis sowie die Kosten zusammengefasst werden.

Diskussionen zur politischen Relevanz des “Toolkits”

Die Diskussionsrunden fokussierten weniger auf einer Bewertung des Instruments oder entsprechende politische Maßnahmen der EU-Kommission bzw. einzelner Länder. Vielmehr ging es um einen Austausch darüber, wie Probleme aus Politik und Praxis mittels forschungsbasiertem Wissen angegangen werden können. Vor dem Hintergrund unterschiedlich stark ausgeprägter Schulautonomie erörterten die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Relevanz des Instruments für unterschiedliche Länder der Europäischen Union. Betont wurde auch die Wichtigkeit der Analyse des jeweiligen Kontextes, in dem ein solches Instrument zum Einsatz kommen kann, so beispielsweise bezogen auf die spezifische Problematik in einer Schulklasse.

Feedback via Twitter

Über einen live geschalteten Twitter Feed, #EIPPEE2013, teilten die gemischt zusammengesetzten Diskussionsgruppen unter anderem folgende Aspekte mit:

  • Die Notwendigkeit, Erkenntnisse aus dem Toolkit mit den eigenen Erfahrungen der Lehrkräfte und praxisbasiertem Wissen zu verbinden.
  • Die Bedeutung von Evaluationen der Veränderungen, die Lehrkräfte in der eigenen Unterrichtspraxis und -methodik unternehmen – anstatt davon auszugehen, dass ein Ansatz „schon funktionieren wird“, wenn er durch eine gute Forschungsbasis unterstützt wird.
  • Es wurde der Wunsch geäußert, dass die Bildungspraxis von der medizinischen Praxis lernen sollte. Das Prinzip, dass kein Schaden entstehen dürfe, sollte auf die Bildung angewandt werden (“no harm principle“).
Visionen für die Anwendung von Evidenz in der Bildung: Perspektiven der EU-Kommission und der OECD

Ergebnisse aus den Workshops führten in die Beiträge von Jan Pakulski (EU-Kommission) und Tracey Burns (Centre for Educational Research and Innovation, CERI, OECD) über. Jan Pakulski gratulierte dem EIPPEE-Projekt dafür, dass es gelungen war, beinahe 600 Personen und Organisationen aus 63 Ländern zusammenzubringen – darunter Vertreterinnen und Vertreter aus allen EU-Mitgliedsstaaten, Beitrittsländern und potentiellen Beitrittskandidaten. Ein Beleg für die erfolgreiche Arbeit von Projekten und Initiativen wie EIPPEE sei, dass die “Sprache der evidenzbasierten respektive evidenz-informierten Politik und Praxis” nun zentraler Bestandteil vieler Strategien von Regierungen und Organisationen sei. Anschließend wurde ausgeführt, dass die Zeit nun reif sei für die Arbeit an der praktischen Umsetzung – für EIPPEE ergeben sich dabei folgende Herausforderungen:

  • Einbindung von mehr Regierungen (national, regional und kommunal), Geldgebern, Transferorganisationen, die zwischen Politik, Praxis und Forschung angesiedelt sind (Think Tanks, kommerzielle Forschungseinrichtungen), Journalisten und Verbänden wie Gewerkschaften oder Schüler- und Elternverbände.
  • Weiterentwicklung von der Frage, ob und weshalb Politik und Praxis evidenz-informiert arbeiten sollten, hin zu der Frage, wie dies tatsächlich umgesetzt werden kann.
  • Unterstützung von politischen Entscheidungsträgern und Praktikern bei der wirksamen Anwendung von Evidenz für ihre Entscheidungsprozesse.
  • Den Fokus darauf richten, wie der wirksame Einsatz von Evidenz erhöht werden kann.
  • Überlegungen zur Sicherstellung der dauerhaften Nachhaltigkeit von wirksamen Ansätzen für die Anwendung von Evidenz.
Weitere Informationen

Weitere Informationen über die Konferenz, einschließlich:

indem Sie auf diesen Link hier oder auf den linken Links am oberen Rand dieser Seite verfügbar.